Reise zu Rory´s Grab

Rory Gallaghers Musik hörte ich zum ersten Mal bewusst in einer Radiosendung, und als die Sendung vorbei war, rannte ich sofort in das nächste Plattengeschäft, um die LP "Live in Europe" zu erstehen. Weiter passierte zunächst nicht viel. Ich gewann einen Freund, der meiner Begeisterung für Rory Gallaghers Musik sozusagen ein Schäuflein nachlegte. Manchmal telefonierten wir sogar mitten in der Nacht, um uns gegenseitig von ihm vorzuschwärmen. Und eines Nachts beschlossen wir, Rorys Grab zu besuchen.

Viel kosten durfte die Reise nicht, und so wurde zunächst das Internet nach billigen Flügen durchsucht.

Als klarer Sieger ging von allen Fluggesellschaften Ryanair hervor. So setzten wir uns ins Auto, fuhren zum Flughafen nach Salzburg, flogen nach Stansted und landeten eines Spätsommermorgens ziemlich übernächtig in Cork, weil wir uns in Stansted eine recht unbequeme Nacht auf dem Flughafen um die Ohren geschlagen hatten - es gibt nämlich keine ausgesprochenen Anschlussflüge nach Cork. Vom Flughafen fährt ungefähr jede halbe Stunde ein Bus zur zentralen Busstation in der Stadtmitte.
Aber gerade als wir ankamen, betrug das Intervall eine Stunde, und so hatten wir noch Zeit, etwas zu essen und zu trinken, da unsere letzte Mahlzeit schon etwas länger zurücklag.
(Kennt ihr eigentlich den Witz, wo sich zwei Bluesmusiker treffen und der eine fragt: "Hast du schon was gegessen?" Antwortet der andere: "Ja, manchmal!").

Von der zentralen Busstation (ein guter Rat: Deckt euch dort gleich mit Busfahrplänen für mögliche Ausflugsziele ein)  spazierten
Cork
wir schnurstracks zu Fuß in die Western Road (wer viel Gepäck hat, nehme den Bus Nr. 8), denn wie wir wussten, gibt es dort ein Bed & Breakfast neben dem anderen. Außerdem ist das die Strecke nach Ballincollig, wo sich Rory Gallaghers Grab befindet. Für Kulturbeflissene: In der Western Road befindet sich übrigens auch das Cork Public Museum. Aber dort waren wir nicht, denn wie heißt es im Sprichwort doch so schön: "Der Tor geht im fremden Land ins Museum - der Weise geht in die Taverne." (Leute mit alternativem Kulturinteresse können allerdings auch das alte Stadtgefängnis von Cork besichtigen.)

Kaum hatten wir unser Gepäck aufs Zimmer gebracht, machten wir uns schon wieder auf den Weg.
Dabei ist das ja in Irland mit dem Spazieren und so gar nicht so einfach. Es gibt nämlich dort zwar Ampeln, aber um die kümmert sich kaum jemand.

Zu normalen Tageszeiten halten sich wenigstens die Autofahrer weitgehend daran, die Fußgänger aber gehen immer, wenn es geht, oder wenn sie glauben es geht, und das wirkt auf uns disziplinierte Mitteleuropäer oft haarsträubend gefährlich. Dabei ist es in Cork noch ausgesprochen harmlos gegen Dublin.
Aussicht vom St. Patrick's Hill
Palmen in Cobh
In Dublin geht der Spruch um "Es gibt nur zwei Arten von Fußgängern - schnelle und tote, doch das nur nebenbei, und nach ein paar Tagen hat man sich sowieso einigermaßen an den irischen way of street crossing gewöhnt. Was uns dagegen äußerst positiv auffiel: Niemand war im Auto mit wummernden Bässen unterwegs, die man schon etliche Straßen weiter wahrnimmt, und es wurde auch nicht gehupt.Wir nahmen den Bus nach Ballincollig - ein guter Tipp: haltet das Fahrgeld möglichst abgezählt bereit - in der Tasche eine Beschreibung aus dem Internet, die uns das Auffinden des St. Oliver's Friedhofes erleichtern sollte. Leider ist Cork und Umgebung im Moment eine große Baustelle, daher war der beschriebene Weg nicht zu begehen, und wir liefen ein paar Mal im Kreis und in die Irre, konnten uns aber durchfragen. Daher noch ein Tipp: beim Kreisverkehr in Ballincollig aussteigen und einen Einheimischen nach dem Weg zum St. Oliver's Friedhof fragen, denn wer weiß schon, welche Straße als nächstes aufgerissen oder welcher Weg als nächstes weggebaggert wird.
Der Friedhof selber ist ganz anders, als wir es aus Deutschland oder Österreich gewohnt sind.
Im Rasen sind die meist sehr schlichten Grabsteine, auf denen oft nicht viel mehr als der Name steht, eingelassen - keine weinenden Engel oder ähnliche Statuen, und kaum Schmuck auf den Gräbern, höchstens mal ein Blumentopf.
Irgendwie hatten wir uns Rory Gallaghers Grabmal riesengroß vorgestellt, obwohl. wir ja schon Fotos davon gesehen hatten. Und nun standen wir auf dem Friedhof und wunderten uns, dass wir das Grab nicht schon von weitem sahen.
Rory´s Grab
Sonja
Wir schritten langsam an den Grabreihen vorbei und erblickten endlich Rory Gallaghers Grab fast ganz am dem Eingang gegenüberliegenden Ende des Friedhofes.
Das Monument ist so klein, das machte uns nachdenklich. Was hatten wir denn eigentlich erwartet? Rory Gallagher war sicher anders als andere Menschen, aber er hat sich sicher nicht über seine Mitmenschen erheben wollen.
Und so ist auch das Monument - anders, aber nicht höher oder größer. Wir waren an diesem strahlend schönen Tag alleine auf dem Friedhof, aber zahlreiche Gaben von Fans auf dem Grab bewiesen, dass dieses regelmäßig besucht wird.

Inschrift

Mein Freund war vor unserer Abreise noch ein zweites Mal alleine auf dem Friedhof und bestätigte, dass innerhalb von zwei Tagen einige Dinge umgestellt, ausgetauscht oder ergänzt worden waren.
Vom Friedhof fuhren wir ins Stadtzentrum und suchten als nächstes Crowley's Musikgeschäft in der McCurtain Street auf, in dem Rory Gallagher einst seine legendäre Stratocaster gekauft hat.
So wie es in dem Geschäft aussieht, denke ich, dass sich seit Rorys Tagen hier nicht allzu viel verändert hat. Wer nach Cork fährt, sollte hier unbedingt reinschauen. Es gibt auch gebrauchte Gitarren zu erstaunlich günstigen Preisen.
Als der Hunger übermächtig wurde, denn die Sandwiches aus dem Flughafenrestaurant waren nicht eben eine reichhaltige Mahlzeit gewesen, gingen wir in Gallagher's Bar an der Ecke St. Patrick's und McCurtain Street, wo man z.B. gute Lasagne bekommt.
Und natürlich hängen hier Bilder von Rory Gallagher. Dann waren wir geschafft. Wir hätten zwar noch Livemusik hören wollen und, und, und... aber schließlich waren wir praktisch schon seit 30 Stunden auf den Beinen und beschlossen, das Nachtleben auf einen der nächsten Abende zu verschieben.
Heinz

Einige Sehenswürdigkeiten in und um Cork:
Den Kirchturm von St. Anne's Shandon besteigen. Man kann eine herrliche Aussicht über die Stadt genießen und eine Melodie auf dem Glockenspiel spielen - haben wir gehört. Nur war leider die Kirche wegen Umbauarbeiten gesperrt, als wir da waren. Aber nette Menschen wiesen uns den Weg um St. Patrick's Hill, von wo die Aussicht ebenfalls beeidruckend ist.
Livemusik gibt es in der Lobby Bar an der Ecke Union Quay/Anglesea Street.
Den Stein von Blarney (9 km nordwestlich von Cork)  küssen, dadurch bekommt man angeblich die Gabe der Beredsamkeit verliehen. Es ist allerdings hierzu etwas akrobatisches Geschick vonnöten. Busse fahren in Intervallen zwischen einer Viertel- und eineinhalb Stunden.
Eine Whiskey-Distillery in Middleton besichtigen. Es soll hier auch eine Rory Gallagher Bar geben, aber wir waren nicht dort.
Mit dem Zug zum Hafen nach Cobh fahren. Die Palmen an der Uferstraße verleihen dem Ort richtiggehend ein Riviera-Flair.