Dieser Artikel stammt von einem Infoblatt der Deutschen Grammophon Gesellschaft mbH und ist ca. aus dem Jahre 1973. Trotz massiver Bemühungen und diverser Telefonate mit der Deutschen Grammophon mbH und auch der Firma Polydor, die seinerzeit einen Teil der Rechte übernommen hat, ist es mir nicht gelungen, den Urheber des Textes auszumachen. Dennoch möchte ich diesen tollen Artikel den interessierten Lesern nicht vorenthalten.
Bei etwaigen Rückfragen bitte ich um Kontaktaufnahme.

Rory Gallagher Biographie

Vor 25 Jahren im südirischen Cork geboren, entwickelte Rory Gallagher schon früh eine Neigung zur Musik von Muddy Waters und Lonnie Donnegan (der ihn später zur Gitarre brachte). Als er als 6-jähriger begann, Ukulele zu spielen, dachte allerdings niemand daran, ihn als weltbesten Gitarristen späterer Jahre zu sehen.

Mit 9 ersetzte seine erste Holzgitarre die alte aus Plastik, mit der er immerhin schon Gene Autry- und Roy Rogers- Titel zusammengekriegt hatte. Zur Schulzeit bildete er mehrere Gruppen, spielte bei sozialen Veranstaltungen und Schulfesten. Mit 15 wurde er Profi.

"Schon immer interessierte ich mich für volksnahe Musik. Lonnie Donnegan war einer der besten. Wenn er keine Hitlistenrenner wie "Does Your Chewing Gum Lose It´s Flavour" präsentierte, sang er die echten, handfesten Sachen von Leadbelly und den amerikanischen Bluesleuten. Ich wollte die Musik des Arbeiters spielen. Als ich die Bluesleute hörte - Muddy Waters, Lemon Jefferson, Blind Boy Fuller... dann war es wie eine Oase in der Wüste."

Ausgehend von diesen Vorbildern entwickelte Rory im Laufe der Jahre einen eigenen, einzigartigen Blues-Stil.
Vor zehn Jahren allerdings war damit in Irland nichts zu gewinnen, wenn auch von England die Vorboten der R & B-Welle zu hören waren. Rory´s drei bis vier Mann starke Formationen hatten keine Chance und keine Engagements, zumal damalige Veranstalter erst drei bis viermal so große Gruppen als akzeptabel betrachteten. So stieg Rory - "obwohl ich die Showbands wie die Pest hasste" - in die Fontana Showband ein, ging später zu den Impact und spielte sich durch Irland, England, Spanien und die meisten Armeebasen in der Bundesrepublik.

"Die Impact war ein witziger Haufen", erinnert er sich, "der Drummer wollte immer Jim Reeves - Sachen spielen und alle anderen liebten eigentlich Nummern wie Nadine."

Zurück in Irland, nachdem die Showtruppe sich in alle Winde zerstreut hatte, fand Rory eine sich allmählich entwickelnde Beat-Szene vor. 1966 holte er sich den Bassisten Eric Knitteringham und den Drummer Norman Damery und gründete die erste Taste. Mit Rock-Blues á la Berry und etwas eigenem Material zogen sie durch Irland, erneut durch England und Deutschland und trennten sich nach zwei Jahren wegen musikalischer Differenzen.
Mit Richard McCracken und John Wilson, die später Stud bildeten, machte Rory den zweiten Taste-Anlauf; mit einer mitreissenden Show wurde die Truppe zum Star des Isle of Wight - Festivals und eine der ganz großen Bands des Jahres 1970 - und trennte sich aus verschiedenen Gründen auf dem Gipfel des Ruhms.
Rory zog ins heimatliche Cork zurück, arbeitete an neuen Songs, dachte über sich und seine Musik nach.

Ein knappes halbes Jahr lang, vom Oktober 1970 bis zum März des folgenden Jahres, als er die LP Rory Gallagher aufnahm, pendelte er zwischen Irland und England, arbeitete sich durch einen Wust von Vertragsklauseln, schrieb und übte. Dann traf er Gary McAvoy, den Bassisten, und Wilgar Campbell, den Schlagzeuger.

"Gerry und Wilgar spielten bei den Deep Joy, einer netten kleinen Band, einer progressiven Gruppe im damaligen Sinne des Wortes. Nach mehreren Monaten sprach ich sie an. Die hatten die Nase voll, so wie die Dinge für sie liefen; so fragte ich sie, ob sie Aufnahmen mit mir machen würden."

Es folgten Tourneen durch England, Irland, Konzerte in Dänemark, Deutschland und Frankreich. Im Oktober folgten Termine in den USA, danach in England und auf dem Kontinent und die Aufnahme der LP Deuce, die Rory wie die vorige selber produzierte.

Als einziger der vielen Popgrößen entsann sich Rory seiner irischen Landsleute (er selbst stammt aus Cork, Wilgar und Gary aus Belfast) und gab am Neujahrstag `72 ein sensationelles Konzert in der Ulster Hall in Belfast. "Music to Belfast Campaign" forderte am nächsten Tag Take One, eine lokale Undergroundzeitung... im Herbst `72 absolvierte Rory und seine Truppe die längste Amerika-Tournee der Popgeschichte; vier Monate zogen sie durch die Lande: "Das hört sich so nach Marathon an, aber es hat uns wirklich Spass gemacht."

Im Januar `73 stellt sich der weltbeste Gitarrist (Melody Maker Poll) seinen deutschen Freunden mit einer umbesetzten und erweiterten Gruppe vor:
neben Rory spielen Gerry McAvoy (bass) und die beiden Ex-Killing Floor-Leute Lou Martin (piano) und Rod de´Ath (drums). Auf die Frage, was man denn  von ihm erwarten könne, antwortete Rory:
"Es wäre leicht zu sagen `große Überraschungen. Passt auf, ich komme und spiele auf Schlittschuhen`- doch sowas bedeutet mir nichts. Das wäre nur ein neuer Unsinn. Ich weiß, daß es nicht gerade aufregend zum drucken ist, aber ich werde auf der Bühne weder von einem Trapez runter noch einem anderen Ding spielen. Einzig die Musik ist wichtig. Neue Arten, zu spielen, neue Empfindungen, alles, was ich in den letzten Monaten gelern habe, seit ich das letzte Mal dagewesen bin. Das ist eigentlich alles, was ein Musiker anbieten kann".

Und wer Rory Gallagher und seine Musik kennt, weiß, daß das eine ganze Menge ist.

Rory Gallagher über...

den Gitarrenstil:
"Es sollte nicht nur einen wichtigen Gitarrenstil geben, Musik muß sich weiterentwickeln, und das wird nicht geschehen, wenn jeder die ganze Zeit `single string modern Blues` spielt."

seine Art, Songs zu schreiben:
"Ich denke nicht an die Band, wenn ich einen Song schreibe. Ich denke nur an mich als Schreiber und Musiker und schreibe eben den Song. Doch während des Schreibens fällt einem plötzlich ein: `da ist ja das Piano`. Natürlich, wenn man dann den Sond wieder und wieder überarbeitet, dann tauchen verschiedene Muster und Strukturen auf. Und dann wird man den Vorteil einer bestimmten Instrumentierung nützen."

Tourneen:
"Das ist praktische und harte Arbeit. Es macht mir Spass. Das ist zwar ermüdend, aber letzten Endes was Solides."

seinen Erfolg:
"Da ändert sich nichts, weil ich schon so lange Musiker bin und gelernt habe, von wenig zu leben. Wenn jetzt ein bisschen Geld reinkommt, dann beunruhigt mich das nicht. Es ist sehr angenehm, gut bezahlt zu werden für das, was man tut aber es ist kein Grund zum Durchdrehen."

Zukunftspläne:
"Ich interessiere mich für den Film. Vielleicht werde ich bald etwas schreiben. Aber, keine Frage, nichts in Richtung"Carry On....".
John Hammond schrieb zum Beispiel für "Little Big Man" und es blieb seine Musik; eine Art country-blues, selbst wenn der Film von Indianern handelte, aber es wirkte."
"Filmmusik sollte nicht für den Künstler geschrieben werden - sie hängt mit dem Film zusammen. Interessant, denn anstatt für sich selbst und das Publikum zu spielen, könnte man was tun, was ausschliesslich für den Film und dann das Publikum wäre."

die aktuelle Musikszene:
"Es gibt eine Menge Künstler, denen ich jetzt im Gegensatz zu früher zuhöre. Zum Beispiel Stevie Wonder, den ich immer geschätzt habe, vom Stuhl gerissen hat er mich nie. Aber sein "Music Of The Mind" Album zeigt einen Weg, das weist in die Zukunft."

Soul-Künstler:
"Die waren mir immer zu mechanisch, aber jetzt mag ich Soul. Der Wirbel drumherum kann mich nicht berühren, doch ich mag den Humor dabei. Doch was da wirklich vor sich geht, weiß ich nicht."

elektronische Musik:
"Ich glaube nicht, daß der Synthesizer wirklich ein Instrument ist. Ich habe erlebt wie Musiker aus echten Instrumenten viel bessere Musik rauskriegten als aus den elektronischen."

seine Interessen neben der Musik:
"Ich bin kein großer Golfspieler! Ich höre mir Platten an, eine Menge Jazz, was nichts mit dem zu tun hat, was ich mache."

die Musikszene des Kontinents:
"Sicher werden einige Rockeinflüsse vom Kontinent kommen. Gruppen wie Focus, Burning Red Ivanhoe und Savage Rose haben einen starken Einfluss hinterlassen. Wir werden uns noch wundern, was in den nächsten zehn Jahren an sensationellem passieren wird. Nehmen wir zum beispiel den Mann von Alexis Korner, Peter Thorup. Vielleicht ist er keine zentrale Kraft, aber er gibt Hinweise, daß da eine reine Bluesszene ist, und er hat ein natürliches Bluesfeeling. Es gibt keinen Grund, warum das nicht durchkommen sollte."